Vor einigen Wochen hattte ich zwei Billette für die Vorpremiere des Films „Zwingli“ gewonnen. Weil dieses Abenteuer für meinen Bruder und mich #AusGründen fertig war, bevor es recht begonnen hatte, wurden wir vom Verleiher mit je zwei Freikarten für diesen Film entschädigt, und der Verantwortliche des Medienhauses, welches die Tickets verlost hatte, entschuldigte sich mit einem persönlichen Kärtchen und Schokolade bei mir.
Mit einem guten Freund löste ich die Billette am Freitag Abend nun ein. Dabei waren wir überrascht, wie voll das Kino nach so langer Laufzeit noch war: Wir hatten nicht reserviert und fanden in der zweiten Reihe noch Platz.
Von Huldrych Zwingli hatte ich wenig gewusst. Was mir bleibt, sind Facetten, die einen Menschen mit vielen Ecken und Kanten erscheinen lassen: Ein Leutpriester, der sich gefühlt über sämtliche Konventionen der Kirche hinwegsetzt, die Bibel in die eigene Sprache übersetzt und in Deutsch predigt, was diese zu sagen hat. Ein Priester aber auch, der zur Frau, mit der er schläft, steht und den Zölibat bricht, indem er sie heiratet. Ein Mann, der es mit Unterstützung des Zürcher Rates und der Äbtissin des Fraumünsters schafft, Klöster aufzulösen und deren Schatz zur Hilfe für die Armen, Bettler, Witwen und Waisen einzusetzen. Nicht zuletzt jedoch ein Heisssporn, der mit seinen Gesinnungsgenossen gegen die Übermacht der alten Kirche in den Krieg zieht und dessen Asche bei Kappel auf dem Schlachtfeld verstreut wird.
Beschmutze ich das Andenken an Zwingli zu stark, wenn ich ihn als Opportunisten bezeichne, der mit dem Zürcher Rat gut Freund sein und deshalb die Tauffrage nicht anrühren wollte und der dabei stand, als sein zeitweiliger Mitstreiter Felix Manz, ein Täufer, in der Limmat ersäuft wurde?
Von Zwingli – nicht zwingend vom Hitzkopf und Opportunisten – kann ich wohl noch viel lernen. Er stand meist gradlinig für seine Sache und setzte sich für soziale Gerechtigkeit ein.
Heute ist Hierokratie (Herrschaft durch Priester) oder Exarchie (Herrschaft durch Bischöfe) kein Thema mehr, doch auch mit Aristokratie kann ich nichts anfangen. Es muss doch einen Mittelweg zwischen Herrschaft von (Geld-)Adel und Herrschaft der Arbeiterklasse geben. Zwingli hat sie – so meine ich – mit seinem Verständnis und seiner Umsetzung der biblischen Wahrheit ziemlich vorbildlich umgesetzt.
